Impuls-Gedanken zum 5. Fastensonntag
Die meisten von uns kennen ja die biblische Erzählung von der Ehebrecherin, die wir am 5. Fastensonntag hören. Die Frau wurde beim Ehebruch ertappt und muss nach dem Gesetz des Mose gesteinigt werden. Jesus überrascht mit der Antwort: „Wer ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein!“ und sagt zu der Frau: „Auch ich verurteile Dich nicht! Geh, aber tu diese Sünde nicht mehr!“
In jedem Urteil Jesu über einen schuldigen Menschen steckt immer dieses spezielle Quantum Barmherzigkeit und – da dürfen wir sicher sein: Jesus schweißt keinen an seine Vergangenheit!
Jesus ist keiner von den Typen, die predigen: Vernichte die Bösen. Er folgt der Liebe, die sagt: Ich verwandle die Bösen durch Güte. Wie oft haben wir selbst erfahren dürfen, dass Gott mit uns so nachsichtig umgegangen ist! Er hat gegen uns keine Steine aufgehoben. Nein, unser Gott, er hat sich Zeit genommen. Er hat in den Sand geschrieben und gibt immer wieder eine neue Chance.
Deshalb die Forderung an uns:
- Schmeiß doch nicht so schnell mit Steinen!
- Sei doch ein bisschen handsamer, wenn Du merkst: das ist auch „nur“ ein Mensch!
- Ein wenig gnädiger – so wie Jesus!
Die nachfolgende Geschichte kann dies verdeutlichen: In einem Fischerdorf an der Steilküste des Atlantiks gibt es ein ungeschriebenes Gesetz: Jede Frau, die beim Ehebruch ertappt wird, muss sterben. Sie wird von einem hohen Felsen gestürzt. Direkt in die Fluten des Meeres.
Wieder einmal verurteilen die Ältesten des Dorfes eine Frau, die mit einem Matrosen die Ehe gebrochen hat. Das Urteil ist gesprochen. Nebel steigt auf vom Meer. Es dämmert. Morgen soll sie vom Felsen gestürzt werden.
In der Nacht steigt der Ehemann in die Felsen. Stunde um Stunde spannt er ein Netz aus starken Seilen über den Abgrund und stopft es aus mit Gras und Stroh und Kissen. Der Morgen naht. Das Urteil wird vollstreckt. Sie stürzen die Frau vom Felsen – sie aber stürzt in das Netz der Liebe!
Ich wünsche uns jeden Tag die unüberbietbare Barmherzigkeit unseres Gottes.
Eine gesegnete Fastenzeit wünscht
P. Günther Wendel
Text: P. Günther Wendel; Bild von der Künstlerin Andrea Zrenner (Regensburg)